Der neue Antrieb mit SchneckengetriebeDie Teilnahme an Messen war Anfang der 50iger Jahre als Produktwerbung besonders wichtig, um die Bahn in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Neben der Nürnberger Messe wurde auch bei regionalen Messen die Bahn vorgestellt. Aus den erhaltenen Zeugnissen lässt sich ein regionaler Schwerpunkt im Rheinland und dem angrenzenden Ausland (Niederlande und Belgien) vermuten. So war die Fa. ROKAL mit ihrer Bahn im Mai 1952 auch auf einer Ausstellung in Hoensbroek / Niederlande vertreten. Im September desselben Jahres nahm man auf Messen in Köln und Utrecht / Niederlande teil. Im Herbst des Jahres 1951 kam der Inhaber der Firma R. W. Dullens, Präzisionsmodellbau aus Bad Godesberg und zeigte den ROKALern ein von ihm handgefertigtes Modell der Lok BR 03.10 nebst Doppelstockwagen in TT-Größe. Der deutsche Kurzdokumentarfilm "Der neue Zug" aus dem Jahr 1951 könnte als Vorlage für das Modell gedient haben. Dieser zeigt die Entwicklung der Doppelstockwagen bei der Deutschen Bundesbahn und die 03.1014 mit diesem Zug. Der Film ist online bei BahnTV. Die Firma Dullens fertigte Modell-Lokomotiven und Wagen für alle Spurweiten, vornehmlich jedoch für die 12-mm-Spur an. Sie hatte hinsichtlich der Präzision, mit der die Modelle hergestellt wurden, einen sehr guten Ruf. Die ROKALer waren von der Schönheit der Ausführung des Modells begeistert - selbst Paul Schönfeld. Schließlich wurde das Modell angekauft und man begann, die Lok für die Fertigung vorzubereiten.
Von Carl Bellingrodt, einem bekannten Eisenbahnfotografen, wurden noch Fotos besorgt. Otto Gothe musste einen Motor entwickeln, der in den Kessel passen musste, was letztlich zu dem bekannten Rundmotor führte. Heinz Thieme begann mit den Konstruktionszeichnungen. Auf dem Reißbrett waren die Zeichnungen der Lok mit Tender immerhin mehr als einen Meter lang, in Wirklichkeit jedoch nur 20,7 cm. Fast jeden Tag überzeugte sich Paul Schönfeld vom Fortgang der Entwicklung. Anfangs hatte er Schwierigkeiten mit dem Maßstab 5:1. Die Einbindung des technischen Direktors (Gesamt-ROKAL) war dennoch sehr hilfreich bei der Konstruktion und Anfertigung der Formen für die Druckgussteile. Dullens hatte für seine Kraftübertragung vom Motor auf die Treibräder ein Schneckengetriebe gewählt. Vom Motorritzel über ein Zwischenzahnrad war man bereits auf der Schneckenwelle, die den vorderen und hinteren Treibradsatz mittels einer "Schnecke" und "Schneckenrad" antrieb. Diese Übertragungsart wurde von allen Entwicklern bei ROKAL - einschließlich Thorey - getragen. Das Schneckengetriebe, so sollte es sich zeigen, war sehr kraftzehrend und selbsthemmend. Die Räder ließen sich von Hand nicht drehen, wenn ja - mit Gewalt -, dann löste sich das Rad von der Welle. Dies konnten die Erwerber nicht selbst beheben. |
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Es gab viele Reklamationen. Darüber hinaus erfolgte die Kraftübertragung vom Motor zur Schneckenwelle hinter dem letzten Treibradsatz. Das bewirkte einen starken Druck auf das hintere Wellenlager. Der Verschleiß ("Ausschlagen") war entsprechend groß. Bei einer Übertragung zwischen den Treibradsätzen hätte sich der Druck auf zwei Lagerbuchsen verteilt, aber dies war mit dem konstruierten Motor nicht möglich. Das Schneckengetriebe wurde bei den Modellen der 03.10 und der E 05 sowie den Nachbildungen der Triebwagen VT 12.5 und ET 56 und deren Farbvarianten eingesetzt, wodurch sich die Reklamationen häuften.
Auf der Nürnberger Spielwarenfachmesse 1952 konnte das Publikum schließlich das Glanzstück bewundern: Die 2'C'1-Schlepptenderlok nach dem Vorbild der Dreizylinder-03 der Baureihe 03.10 der Deutschen Bundesbahn nebst Doppelstockwagen. Die Modelltreuheit der Lok war für die damalige Zeit außergewöhnlich. Das Lok- und Tendergehäuse bestanden aus Metall-Druckguss, wobei die Detaillierung immerhin schon so weit ging, dass die Konstrukteure auch den Indusi-Fahrzeugmagneten vor der Schleppachse und die an der Führerhaus-Seitenwand erkennbare Abdeckung des Indusi-Relaiskastens nicht vergaßen. Die charakteristische Doppelverbund-Luftpumpe der Bauart "Nielebock-Knorr" befand sich deutlich sichtbar an ihrem Platz unterhalb des Luftlaufs. Die Heusinger-Steuerung war in ihren wesentlichen Teilen vollständig und beweglich ausgebildet - im Jahr 1952 auch bei Modellen größerer Nenngrößen keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Die Lok nebst den Doppelstock-Schnellzuwagen gingen schließlich Ende 1952 "als Weihnachtsüberraschung für die TT-Spur-Freunde" in die Fertigung und Auslieferung. Tatsächlich waren die 1950 und 1951 für die DB gelieferten Prototypen in zweistöckiger Ausführung im Gegensatz zu den Doppelstockwagen der 90iger Jahre keine Nahverkehrsfahrzeuge, denn einige waren mit Küche und Speiseraum ausgestattet - sie passten also gut zur Schnellzuglok BR 03.10. Der "Blaue Vogel", wie man die Zugeinheit nannte, war seinerzeit äußerst beliebt und ist heute noch heiß begehrtes Sammlerobjekt.
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Die Firma Kroonenburg & Koop, die die Bakelitgleiskörper in Kierspe im Sauerland für ROKAL presste, stellte die Fertigung ein und übergab die Aufträge an die Firma Ernst Schürfeld, die ebenfalls in Kierspe ansässig war. Thieme stellte bei einem Besuch in der Firma fest, dass diese Firma die Presserei nur nebenbei betrieb, um die Pressformen, die sie herstellte erproben zu können.
Die Firma Schürfeld war ein mittlerer sauerländischer Werkzeugbau-Betrieb mit einem vielseitigen Maschinenpark; außerdem bestach sie durch eine für die damalige Zeit ungewöhnliche Ordnung und Sauberkeit. Paul Schönfeld interessierte dies und am Rosenmontag 1952 fuhren er, seine Frau mit Thieme nach Kierspe zur Besichtigung. Das war der Beginn einer langjährigen und fruchtbaren Zusammenarbeit für beide Firmen. Die Fa. Schürfeld erstellte nicht nur Druckgussformen, sondern vor allem Kunststoffspritzgussformen. Weder diese Art der Formenherstellung noch die dazugehörigen Kunststoffspritzgussmaschinen gab es bei ROKAL damals aber auch später nicht. In erster Linie wurden bei Schürfeld Formen für die Modellbahn hergestellt, bei Engpässen für die Vergaserfertigung griff Schönfeld jedoch auch auf die Firma Schürfeld zurück. Für die Modellbahn waren Lokgehäuse und viele Wagenoberteile aus Kunststoff erforderlich. Wenige 100 m von Schürfeld entfernt befand sich die befreundete Firma Wilhelm Bremicker, die Kunststoffteile spritzte. Über diese Firma wird später noch zu berichten sein.
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