Ein Fazit der ersten Jahre

Fassen wir in einem Rückblick die technische Seite der von Eugen Engelhardt entwickelten und gebauten ersten TT-Eisenbahn in Deutschland zusammen: Das Chassis der Lok B 1001 bestand aus zwei kongruenten Zinkspritzgussteilen. Es war nur eine Form nötig. Die auf Umschlag passenden Teile beinhalteten das Antriebsaggregat. Die Kraftübertragung erfolgte über Zahnräder auf die Treibräder. Diese Konstruktion war gut gelöst. (Patentiert in den USA unter der Nummer 2 58 710, in Frankreich unter der Nr. 556 747).

Die Wechselstromausführung der B 1001 enthielt Feldbleche mit zwei Wicklungen, den Anker mit drei Wicklungen und für das Umschaltrelais zwei weitere Wicklungen. Das war sehr aufwendig und teuer.

Das Umschaltrelais war das neuartige, automatische Steuerorgan der Lok B 1001 und bewirkte durch Betätigung kleiner Kontakte die Vor- und Rückwärtsfahrt. Das Umschaltrelais sprach bei der Vorwärtsfahrt gar nicht an, das sicherte eine ungestörte Fahrt. Bei Rückwärtsfahrt überwog die Überspannung im Relais gegenüber der Federkraft; das Relais zog an - damit unterbrach ein Kontaktstreifen die Vorwärtsfahrt und schaltete die Rückwärtsfahrt ein, so dass die Lok dann in der ihr vorgeschriebenen Rückwärtsfahrt blieb. Bei der Rückwärtsfahrt hörte man ab und zu ein kleines Knacken, das vom Umschaltrelais kam.

Bei der Fertigung war sehr viel Justierarbeit nötig; darüber hinaus traten während des Fahrbetriebes beim Kunden oft Störungen auf. Die Stromabnahme erfolgte von den Schienen durch Kupferschuhe, die bei Verschleiß auswechselbar waren. Der Regeltrafo Tr 3001 30 VA mit Überlastungsschutz war durch das Zinkgehäuse sehr stabil. Er sorgte für langsames Anfahren in beiden Richtungen. Beim Übergang zur Rückwärtsfahrt gab es einen "kleinen Bocksprung" hervorgerufen durch die höhere Spannung. Selbst Engelhardt gab zu, dass der Trafo technisch nicht ausgereift war. Der Trafo Tr 3001 wurde umgebaut zu dem Controller Tr 3500. Dieser erhielt einen Umschalter für Vor- und Rückwärtsfahrt. Dazu kam die ROKAL-Station Tr 3100.

Die Umstellung der B 1001 auf Gleichstrom war verhältnismäßig einfach. Das Relais entfiel ganz, Feldbleche und Wicklungen wurden durch einen Permanentmagneten mit zwei Feldblechen (gebogene Stanzteile) ersetzt. Der Gleichstrom regelte die Fahrtrichtung. Der freie Platz im Führerstand wurde mit einem Bleigewicht ausgefüllt, um die Fahreigenschaft (Zugkraft) zu verbessern.

Das ROKAL-Gleissystem war ebenfalls gut gelöst. Für das Gleisbett wurden nur drei Formen (gerade, 572 Ø und 660 Ø) benötigt. Aus Bakelit gepresst war es stabil, aber temperaturempfindlich. Bei Erwärmung konnte es sich leicht verziehen; daraus resultierten Stoßstellen, die zu Entgleisungen der Bahn führten oder sie trugen dazu bei, dass sich die Kupplungen der Fahrzeuge lösten. Später setzte man kleine Stifte in die Enden der Vollprofilschienen ein, die Gegenseite erhielt eine Bohrung. Das war jedoch aufwendig und damit teuer. Der Parallelabstand von 44 mm und die Radien bewirkten einen sehr geringen Platzbedarf für Anlagen (nur etwa 50 % von H0-Anlagen). Die starke Krümmung bei den Anlagen war für die maßstäbliche Umsetzung der D-Wagen sehr hinderlich. Die Modellbahner kritisierten immer wieder die zu kurzen D-Wagen, aber der Überhang bei längeren Waren und Kurvenfahrt hätte wirklich nicht unbedingt modellgetreu ausgesehen.

Es gab Hand- und Elektro-Weichen. Die von Engelhardt erfundenen Umschaltmöglichkeiten ("die denkende Weiche") waren für den anspruchsvolleren Modellbahner sehr hilfreich. Jede ROKAL-Weiche hatte auf der Unterseite ein Fenster, durch welches drei Kontaktlaschen zugänglich waren. Diese Kontaktlaschen konnten auf fünf verschiedene Punkte gelegt werden. Jede andere Kontaktstellung bewirkte einen anderen Stromdurchgang durch die Weiche. Dabei war zu beachten, dass die Stromzuführung zu den Schienen und auf der Weiche immer vor den Weichenzungen erfolgte, also über ein Gleis, das links von der Weiche angeschlossen war. Das halbe gebogene Gleisstück der Weiche war eine Projektion auf das halbe gerade Stück, dadurch war der Übergang zum Parallelgleis mittels zweier Weichen möglich. Diese Kombination bewirkte allerdings auch zwei Kreuzungen - eine linke und eine rechte - ein Novum in der Branche.


B 1001 (Wechselstrom)


B 1003 (Gleichstrom)


D 1250


D 1501




D 1201


D 1202

Die D-Zugwagen waren durch den Druckguss sehr stabil und nahezu unzerbrechlich und waren mit Entkupplungsstiften auf dem Dach versehen, die als "Dachentlüfter" galten. Die "Fischmaulkupplung" mit den separaten Bindegliedern wurde bald durch die patentierte Kupplung (patentiert unter der Nummer 827 613 vom 10.1.1952) von Engelhardt abgelöst. Die starre Verbindung der Kupplungsteile bewirkte, dass längere Züge nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts mit Sicherheit Kurven, Gegenkurven und Weichen bei jeder Geschwindigkeit durchfahren konnten. Voraussetzung war jedoch, dass die Kupplungen an den Fahrzeugen waagerecht und in gleicher Höhe standen. Das Kupplungsteil selbst war stabil; das Aufnahmeteil konnte sich aber bei unsachgemäßer Behandlung verbiegen. Die maßstäblich zu große Kupplung wirkte "klobig" - so die "Miniaturbahnen". Die Druckgussform für die Kupplung war kompliziert und ROKAL war für solche kleinen diffizilen Teile schlecht eingerichtet. 1952 wurden diese Teile von der Kölner Firma Postel geliefert, die spezialisiert auf Reißverschlüsse war. In späteren Jahren wurden die Kupplungen dann aus Kunststoff gespritzt, und wegen des leichten Fallgewichtes mit einer Niederhalte-Feder ausgerüstet.


Der "Nord-Süd-Express" mit der B 1001 (~-Strom) und den ersten D-Zug-Wagen

Ein Fehler - der sich in den späteren Jahren immer wieder negativ auswirkte - bildeten die dicken Spurkränze. Engelhardt verwendete an seiner 1. Lok Zahnräder, die an der Innenseite der Treibräder befestigt waren - aber so groß im Durchmesser waren, dass sie über die Lauffläche hinausragten. Er stellte dieses Manko aber nicht ab, obwohl bei der Konstruktion der Weiche dieser Fehler offensichtlich wurde. Eine Doppelkreuzungsweiche war aus diesem Grunde schon nicht mehr möglich. Seine Nachfolger hatten aber auch nicht den Mut, die Dicke der Spurkränze der Norm entsprechend schmaler zu machen.

Damit wären alle bisherigen Besitzer von ROKAL-Erzeugnissen verärgert worden, wenn man nicht das Material (Loks, Wagen und Weichen) kostenlos umgetauscht hätte. Was hätte Robert Kahrmann wohl dazu gesagt? Die Spurkränze waren auch dafür verantwortlich, dass keine ROKAL-Loks auf anderen Schienensystemen in TT weltweit fahren konnten. Der Export litt enorm unter diesem Manko. Die später gefertigten "Santa Fe" - und "Union Pacific" - Züge wurden zwar in Amerika begeistert aufgenommen, konnten aber leider nicht auf amerikanischen Weichen fahren.


ROKAL D-Zug Packung L.Nr. 10002 aus dem Katalog 1949D

Rückblickend muss gesagt werden: Engelhardt kam nicht aus der Spielwarenbranche, kannte die Spielzeug-Eisenbahnen nur vom "selber spielen" aus seiner Kindheit. Das Wort Modelleisenbahn war 1946 nur "alteingesessenen Modellbahnern" bekannt. Berücksichtigen wir die damalige Zeit - kurz nach Kriegsende: kaum Informationen, kein geeignetes Material, und die Unterstützung innerhalb der Fa. ROKAL war nur teil- und zeitweise vorhanden (der von Engelhardt aufgebaute, eigenständige Betrieb im Betrieb wurde argwöhnisch beobachtet). Deshalb muss man heute seinen enormen Fleiß, Eifer, die Geduld und das Können umso höher einstufen. Er arbeitete Tag und Nacht für "sein Bähnchen". In Deutschland ist er der Mann geblieben, der die TT-Bahn als Erster entwickelte und gleichzeitig zur Fertigungsreife führte. Dafür gebührt ihm sicherlich ein besonderer Dank.

Die Unterstützung der Geschäftsleitung hielt sich eher in Grenzen. Direktor Paul Schönfeld "verdiente" das Geld für die Firma ROKAL mit dem Vergaserbau und reservierte daraus resultierend die betrieblichen Kapazitäten. "Die Bahn hat Zeit" - wurde zum geflügelten Wort im Werkzeugbau, in der Gießerei und in der Galvanik. Trotz allem standen die Mitarbeiter der Eisenbahn hinter Engelhardt und arbeiteten teilweise bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Umso unverständlicher war die Kündigung von Engelhardt für die Mitarbeiter. "Eines Tages im März 1950 packte er seine Sachen und sagte: "Ich habe gekündigt, ich habe eine neue Stelle in Wuppertal" und verabschiedete sich. Was aus "seiner Bahn" wurde, wie es weiterging und was aus seinen Mitarbeitern wurde - kein Kommentar" (Heinz Thieme).

Die Werkzeugmacher wurden in den Werkzeugbau versetzt. Ludwig Bierl blieb mit vier Leuten in der Montage. Heinz Thieme kam ins Konstruktionsbüro zu Paul Schönfeld und zeichnete vorübergehend eine Untertischbatterie für Armaturen.

Entscheidend für den Anfangserfolg der ROKAL-Klein-Elektrobahn war, dass ROKAL niemals ein reiner Modellbahn-Hersteller, sondern ein Großbetrieb der Metallbranche war, der in einer Abteilung des Werkes nebenbei Modellbahnen produzierte. ROKAL konnte "aus dem Stand heraus" eine wenigstens anfangs erfolgreiche Modellbahn-Produktion aufbauen.

Und dies, obwohl die Anfangsbedingungen zunächst sogar schlechter waren als etwa die der Präzix-Bahn (1947 als Löhmann-Präzix-Bahn der Firma "Präzix-Erzeugnisse" Alfred Löhmann gebaut, 1949 nach Konkurs in die "Europa Spielwaren GmbH" aufgegangen, die ebenfalls im Jahre 1954 in Konkurs ging).

Als die ersten ROKAL-Modelle erschienen, hatten sich die traditionellen Hersteller wie Märklin, TRIX und Fleischmann von den Kriegsschäden und Materialengpässen schon wieder erholt. In den Geschäften stießen die Kaufinteressenten zuallererst auf deren Produkte. Für den ROKAL-Erfolg waren zunächst einmal das Interesse des Firmenbesitzers Robert Kahrmann und dessen Wille entscheidend, ein konkurrenzfähiges Produkt auf den Markt zu bringen. Darüber hinaus war er jedoch in erster Linie Kaufmann und er erwartete in absehbarer Zeit einen wirtschaftlichen Erfolg.

Ohne diese Voraussetzung hätte man bei ROKAL wohl niemals die Arbeit an einer Modellbahn aufgenommen. Der zweite Punkt war, dass die ROKAL-Werke zunächst genügend Kapital hatten, um einen Produktionszweig über die schwere Anfangszeit zu bringen, also über die Zeit, in der viele Investitionen notwendig sind, die Firma aber nichts einnimmt, das heißt die Zeit der Entwicklung und der Markteinführung. Auch in einem dritten Merkmal unterschied sich ROKAL erheblich von den Herstellern anderer Nachkriegs-Modellbahnen: ROKAL verfügte über Fachkräfte, diese wiederum über einen unbändigen Einsatzwillen und viele Maschinen. Das Instrumentarium und das Fachwissen der Fertigungstechnik waren bei ROKAL vorhanden und mussten nicht erst mühsam aufgebaut werden.

Dabei muss man bedenken, dass bei manchem aus einer Bastlerwerkstatt hervorgegangene Spielwaren-Hersteller Kenntnisse über grundlegende Fragen der Fertigung auch in den dreißiger Jahren noch nicht zum Standart-Repertoire gehörten. Die Modellbahn-Herstellung hatte bis zum Krieg viel Bastlermässiges an sich. Eine professionelle Fertigung und Konstruktion setzte sich erst sehr spät durch. ROKAL übersprang die Bastlerphase und begann mit der Produktion einer Modellbahn im industriellen Maßstab. Die Firma konnte deshalb nach einer ungewöhnlich kurzen Anlaufphase von zwei Jahren für die damalige Zeit hochdetaillierte und funktionssichere Modelle anbieten. Kinderkrankheiten hatten die Produkte trotzdem, sie konnten aber aus eigener Kraft und mit Hilfe von Hans Thorey (1951 -1958) überwunden werden; er gilt im Übrigen als Begründer des technisch-wissenschaftlich durchdrungenen Modellbahnwesens.

1950 wurde der Firmenname geändert in

ROKAL Guß- und Armaturenwerk GmbH


Bergbahn aus dem ersten ROKAL-Faltblatt von 1948

Die Umstellung auf Gleichstrom

ROKAL-Modellbahn 1950 - 1960

 

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Die Geschichte der ROKAL-TT Modelleisenbahn, Manfred Albersmann

ROKAL-Katalog 21D, ROKAL-Freunde Lobberich

Die Geschichte und Produktion der ROKAL-Werke Lobberich, Hans-Georg Heymanns und Dieter Cordes

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